Was mich von meinem Plan abgehalten hatte, den ich bereits ausführlich vorbereitet hatte, war vor allem der Gedanke: „Ich kann mich nicht umbringen, wenn ich nicht alles versucht habe, sodass es mir besser geht.“
Erstaunlicherweise kommen mir immer wieder neue Ideen, was ich noch als Stütze ausprobieren könnte. Aber es half mir auch, dass ich wusste, ich kann gehen, wann immer ich will. Denn mein Plan war bzw. ist wasserdicht. Daraus erschloss ich mir, dass meine Suizidgedanken auch eine Schutzstrategie meiner Psyche sind. Sie sind mein Ausweg, der mich längere Zeiten der Depressivität und Perspektivlosigkeit aushalten lässt. Ab einem gewissen Punkt, den in im Artikel „Nicht jeder Mensch muss in die Psychiatrie“ erklärt habe, wird es auch für mich kritisch. Dann kommt manchmal nach ein paar Stunden, Tagen oder Wochen, in denen ich in Gedanken meinen Suizid durchgespielt habe, wieder mein Anker: „Ich kann mich nicht umbringen, wenn ich nicht alles versucht habe, sodass es mir besser geht.“
An diesem Punkt war ich damals noch nicht, als meine Suizidgedanken das erste Mal sehr drängend auftraten. Allerdings war ich zu der Zeit schon auffällig erkrankt und dadurch an das Helfer*innennetz angebunden. Ein großer Dank kommt dabei meiner damaligen Klassenlehrerin zu. Sie hatte mich auf meine Schwierigkeiten angesprochen und danach als erste Person Hilfe für mich in die Wege geleitet.
So kam es also, dass ich bereits an das Jugendamt angebunden war und regelmäßige Termine hatte. In dieser Lebensphase war ich bereits sehr suizidal und konnte das Leben allgemein und in meinem Elternhaus nicht mehr aushalten. Vor dem nächsten Termin habe ich dann die Entscheidung getroffen, entweder ziehe ich von zu Hause aus und verlasse meine Familie, oder ich bringe mich um! Beim Jugendamt habe ich dann von meiner Verzweiflung berichtet und die Notlage beschrieben, in der ich mich befand. Als Nächstes wurde ich kurz nach Hause gefahren, habe meinen bereits gepackten Koffer heimlich mitgenommen und bin danach für Jahre nicht mehr an diesem Ort gewesen.
Ich habe meine gesamte Familie aufgerüttelt, schockiert und in eine ungünstige Lage gebracht. Die Entscheidung fiel mir nicht leicht. Durch den ganzen Druck fing dabei meine Nase zu bluten an. Doch die Alternative wäre mein Tod und damit hätte ich meine Familie noch mehr zerstört.
Diese Ereignisse haben den Meilenstein für meinen Anker gegeben. Es gibt Dinge, die wir verändern können. Es fühlt sich meistens ausweglos an und wir fühlen uns ohnmächtig. Wir wollen andere Personen nicht verletzen und dennoch aus einer Situation fliehen. Doch was ist die Alternative?
Kurze Randbemerkung: In ganz dunklen Momenten kommen mir diese hilfreichen Gedanken nicht in den Kopf. Ich kann mich dann auch an nichts Positives in meinem Leben erinnern oder mich irgendwie auf meine Therapieunterlagen einlassen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendetwas mir noch helfen könnte. Alleine schaffe ich das dann nicht mehr, durchzuhalten. Für mich ist dann wichtig, diese Zeit zu überbrücken, mich abzulenken und unter Menschen zu gehen.
Manchmal möchte ich meinen Tod auch vorplanen, da ich meine Erkrankung nicht länger ertragen kann. Das schafft eine komplett andere Diskussionsgrundlage, da dies nicht mehr impulsiv ist, sondern eher in Richtung selbstbestimmtes Sterben geht. Zu diesem kontroversen Thema wird es auch noch Artikel geben.
0 Kommentare