Vielleicht kennst Du auch diese Bemerkungen. Zum Beispiel, wenn ich mich einer nahen Person anvertraue und über meine Suizidgedanken spreche, dann kommen oft Reaktionen, wie: „Soll ich Dich in die Klinik begleiten?“ oder „Geh‘ mal besser in die Psychiatrie. Die können Dir da helfen.“
Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Vorerst jedenfalls. Ich war oft auf einer sogenannten „geschlossenen“ bzw. geschützten Station in der Psychiatrie. Manchmal, muss ich zugeben, ist es die richtige Entscheidung gewesen, dorthin zu gehen. Sei es nur, weil dort Menschen ein offenes Ohr für mich hatten und ich mir sicher war, dass ich mir nichts antun würde. Meine persönliche Meinung ist allerdings, dass sich dieser Effekt irgendwann abnutzt. Je häufiger ich dort war, desto weniger sicher habe ich mich gefühlt.
Darum war ich manchmal auch nur in der Klinik, um meine Angehörigen und Freunde zu beruhigen, denen ich mich anvertraut hatte.
Meine persönliche Checkliste dafür, ob ich tatsächlich in die Klinik gehe, zu Hause oder bei Freunden bleibe, sieht wie folgt aus:
- Kann ich meinen Drang nicht mehr bis morgen aushalten?
- Habe ich Dinge in der Nähe, mit denen ich mich jetzt gleich umbringen könnte?
- Spricht mich die Methode an, die ich jetzt oder sehr schnell zur Verfügung habe und wäre dies, das Mittel der Wahl?
- Bin ich alleine? (Ist wirklich niemand in einem anderen Zimmer, der*die mich retten/mir helfen könnte?)
- Nehme ich keine Rücksicht mehr auf Freunde und Familie? Ist mir alles und sind mir alle egal?
Zugegeben, in dieser Situation fällt es mir schwer, in die Klinik zu gehen oder den Notruf zu wählen und es erfordert eine enorme Denkleistung und Willensstärke, dagegen anzugehen. Ich sage mir dann: „Ob ich heute oder morgen sterbe, darauf kommt es jetzt auch nicht mehr darauf an.“, oder auch: „Die Klinik kann ich ja nochmal durchstehen und danach sehe ich weiter.“
Ich bin der Meinung, dass kein Mensch durch impulsive Handlungen, also kurzfristige Entscheidungen aus der Situation heraus, sterben sollte. Wenn Du das Gefühl hast, Du willst den nächsten Tag nicht mehr erleben, dann suche Dir bitte unbedingt Hilfe! Ich würde Dir zudem raten, dir Deine eigene Checkliste zu erstellen, um Dich für den Notfall vorzubereiten. Meistens sollten wir folgenschwere Entscheidungen nicht spontan treffen, sondern wie es so schön heißt, mal eine Nacht darüber schlafen.
Es kommt vor allem auf Dich an! Wenn Du das Gefühl hast, Du hast Deine Gedanken und Impulse unter Kontrolle oder Du kannst Dir selbst versprechen, Dich heute nicht umzubringen, dann musst Du nicht unbedingt in die Psychiatrie. Eine ambulante Psychotherapie oder sogenannte „Notfallgespräche“ können in diesem Fall bereits massiv helfen.
Meiner Einschätzung nach muss also nicht jeder Mensch direkt in die Psychiatrie, sobald Suizidgedanken auftreten. Das heißt aber nicht, dass Psychotherapie oder andere Behandlungsmethoden sinnlos sind! Wenn Du also knapp an der Psychiatrie vorbeischlidderst und noch keine Behandlung hast, empfehle ich Dir, Deine Situation erstmal mit einer Hausärztin*einem Hausarzt zu besprechen oder Dir einen Psychiater zu suchen. Ansonsten sprich bitte mit Deiner Therapeutin*deinem Therapeuten oder Psychiater*innen über Deine Situation.
Übrigens: In den meisten Notfallambulanzen der Psychiatrien gibt es oft auch offene Sprechstunden, die nicht unbedingt dazu führen, dass Du eingewiesen wirst. Dort kannst Du jedoch die nächsten sinnvollen oder möglichen Schritte besprechen.
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